8.7.2015 Longyearbyen - und ein Abstecher nach Pyramiden/                 Spitzbergen/Svalbard

Eigentlich sollten wir heute vor Pier gehen. Aber, da der Seegang noch zu stark ist, ist ein Anlegen nicht möglich. Also heißt es wieder tendern.

 

Vom Schiff aus sieht man schon das, was Longyearbyen ausmacht: die Anlagen des Bergbaus. So spannt sich am Ufer kilometerlang eine Grubenseilbahn am Berghang entlang, die aber heute nicht mehr in Betrieb ist. Es gibt nur noch ein Kohlenbergwerk in der Nähe von Longyearbyen, die Grube Nummer 7.

 

Natürlich sehen wir auch hier keine Bäume, aber irgendwie sieht es doch ein bisschen "lieblicher" aus, als am Nordkap. Die schneebedeckten Berge laufen nach unten hin breit aus. Auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht von Longyearbyen stehen vereinzelt Häuschen, die jetzt da die Sonne gerade auf diesen Küstenstreifen fällt, ganz gemütlich aussehen, wie Ferienhäuschen. Wir haben ja auch Hochsommer (mit immerhin 5 ° C). Vergessen sollte man aber nicht, dass auch hier mal ein Eisbär vorbeischauen könnte. Und mit Sicherheit in den Häusern Waffen lagern (Vielleicht doch nicht so gemütlich?).

 

In der Nähe des Hafens in Sichtweite auch der Flughafen von Longyearbyen. Die SAS Scandinavian Airlines fliegt im Sommer täglich nach Oslo und Tromsø.
Im Winter höchstens 5 Mal in der Woche.



Flughafen Longyearbyen
Flughafen Longyearbyen

 

Manfred macht heute eine Wanderung auf den 500 Meter hohen Sarkofagen. Er geht früh von Bord, damit er sich vorher noch Longyearbyen anschauen kann.

 

Ich mache mich am späten Morgen zu meinem Treffpunkt auf dem Schiff für den Ausflug zu einem Spaziergang im Endalen, einem kleinen Tälchen in der Nähe von Longyearbyen mit Besichtigung eines Bergwerkes - aber nur von außen.

 

Zuerst bekomme ich meine Tenderkarte. Doch dann heißt es, dass der Kapitän versucht am Hafen anzulegen. Die See hat sich beruhigt. Ich gebe also meine Tenderkarte wieder zurück. Doch 10 Minuten später muss der Kapitän erkennen, das die Tide zu niedrig ist. Wir müssten also quasi vom Schiff runterhüpfen. Natürlich ist das zu gefährlich und jetzt noch eine Gangway aufzubauen zu umständlich. Na gut, ich hole mir wieder eine Tenderkarte - und das kurze Tendern kann beginnen.

 

Schön, dass das nicht am ersten Tag war. Denn so sind wir ja schon erfahren mit Tender hin und Tender her - und es klappt alles, trotz kurzer Verwirrung bestens.

 

Auf der kurzen Busfahrt stellen sich unsere beiden Eisbärwächter vor. Henrik (vom norwegischen Festland) hat hier studiert und ist nach dem Studium nun wieder zurückgekommen und lebt seit 2 Jahren in Longyearbyen. Er liebt besonders die Winter, da er gerne Ski läuft (Langlauf). Allerdings für unsereins nicht empfehlenswert dies auf eigene Faust zu machen (keine Loipen - klar wer sollte die auch anlegen, kein Handyempfang, keine Menschen, dafür aber Eisbären und saukalt!).

 


 

Studieren in


 

Longyearbyen


Im Herbst 1993 wurde die Uni eröffnet. Der Name ist heute: University Centre on Svalbard  (UNIS) Sie ist keine eigenständige Universität, sondern wird als Stiftung durch die Universitäten von Oslo, Bergen, Trondheim und Tromsø betrieben. Hier werden Bachelor- und Master-Studiengänge in arktischer Biologie, arktischer Geologie, arktischer Geophysik und in arktischer Technologie angeboten.

Es gibt eine universitätseigenen Waffenkammer. Für den richtigen Umgang mit der Ausrüstung und Wildnisfähigkeiten führt das UNIS am Anfang des akademischen Jahres einen eigenen Lehrgang für Wildnisfähigkeiten durch.

Die Uni verfügt auch über schwimmfähige Mehrzweckgelände- und Überschneefahrzeuge.



 

 

 

Henrik ist auch derjenige, der uns nach der Ankunft im Endalen ganz viel erzählt über die Natur, den Bergbau, die Menschen.

 

 

 

Unser zweiter Eisbärwächter hat leider einen unaussprechlichen Namen. Er ist eher still, läuft immer hinter unserer kleinen Gruppe und achtet sehr darauf, dass keiner zurückbleibt (und quasi von hinten von einem Eisbären überfallen werden könnte).

 

 

Wir laufen vom offenen Adventdalen in das Seitental, mit dem Namen Endalen, welches von breiten Wasserläufen durchzogen ist, Schmelzwasser aus den unendlichen Gletschern des Landes. Das Wetter meint es wirklich gut mit uns; es ist zwar recht kalt, aber die Sonne zeigt sich immer wieder einmal.


Blick in das Adventdalen
Blick in das Adventdalen
Im Endalen
Im Endalen

Nachdem wir im Endalen ca. 2 Kilometer hoch gelaufen sind, erreichen wir die still gelegte Mine Nummer 5. Es ist eine riesige Anlage am Hang. Henrik erklärt uns, dass dieses Bergwerk relativ schnell aufgegeben wurde, da der Export zurück ging. Allerdings ist sie noch voll funktionstüchtig. Und sollte Mine Nummer

7, die einzige im näheren Umkreis, ausgebeutet sein, könnte dieses Bergwerk hier im Endalen bei Bedarf wieder reaktiviert werden.

 

Inzwischen ist es jedoch nicht mehr so einfach, ein Bergwerk zu erschließen. Der Schutz dieser einmaligen arktischen Landschaft steht im Vordergrund.

 

Im eintönigen Grau der  Landschaft fallen die gigantischen Ausmaße der still gelegten Mine Nr. 5 im Endalen kaum auf
Im eintönigen Grau der Landschaft fallen die gigantischen Ausmaße der still gelegten Mine Nr. 5 im Endalen kaum auf
Die Mine Nr. 5 vond er Nähe: es gibt Überlegungen, aus dem Gebiet eine Art Museum zu machen
Die Mine Nr. 5 vond er Nähe: es gibt Überlegungen, aus dem Gebiet eine Art Museum zu machen
Verlassene Grubenseilbahn   (Grubenseilbahnen durchziehen das Gebiet hier - die Steinkohle wurde damit zur Sammelstation nach Longyearbyen gebracht)
Verlassene Grubenseilbahn (Grubenseilbahnen durchziehen das Gebiet hier - die Steinkohle wurde damit zur Sammelstation nach Longyearbyen gebracht)


Henrik zeigt uns die kleinen Schönheiten am Boden:

 

Henrik: "Ihr glaubt, wir haben keine Bäume! Schaut genau hin, wir stehen mitten im Wald!"

 

Aha! Wald ...

 

 

Ich freue mich doch schon über die vielen kleinen Blümchen, die hier blühen, und das Moos und die Flechten. Aber Wald, nun ja, wenn Henrik das meint.

 

Er zeigt uns die Polar-Weide, die Salix Polaris - den kleinste Baum der Welt. Und da es davon mehr als eine gibt, sogar unendlich viele,  stehen wir also tatsächlich mitten im Wald.


 Schade, dass wir den Wald mit Füßen treten, denn es geht nun querfeldein durchs Endalen. Ich  laufe wie auf Wolken. Da wir hier Permafrostboden unter unseren Füßen haben und nur die obere moosige Schicht aufgetaut ist, fühlt es sich so weich an, wie eben Wolken weich sein müssen. Meine Schritte auf dem Moos hinterlassen sogar für einen kurzen Moment Abdrücke. Hin und wieder wird es feucht und wir überqueren kleine Bäche. Doch meine neuen Wanderschuhe halten die Nässe prima draußen, wo sie hingehört.


 

 

Die „Svalbardvalmue“ (Svalbard Mohn) ist offiziell die „Staatspflanze“ Svalbards.

Sie ist eine der nördlichsten Blühpflanze der Welt.

(Papaver dahlianum)

 

 

      Stengelloses Leimkraut
                  

 

Rasensteinbrech mit Gräsern -

geschaffen für die Polarwüste

 

 

 

                

In der polaren Steinwüste

                  erfreut sich das Auge an

                  einem Hang mit blühendem

                  Silberwurz.

 

 

 

Das Scheuchzers Wollgras findet

seinen Platz sogar zwischen 

der liegen gebliebenen Steinkohle

 

 

Im Schutze eines zurückgelassenen Containers

am Bergwerk entfalten die Blümchen

ihre volle Blühkraft

 

 

 

Wir kommen an einer Versuchsstation der Universität vorbei. Kleine Gewächshäuser sind um die Pflanzen herum gebaut. Man testet, wie sich unterschiedliche Wetterbedingungen auf die Pflanzenwelt auswirkt.

Überhaupt wird auf Spitzbergen viel geforscht.

 

Das Zentrum der Forschungsaktivitäten ist der Svalbard Forskingpark, mit der Universität, dem Polarinstitut und der EISCAT-Radaranlage sowie der Satellitenstation außerhalb der Stadt.

 

In der Nähe des Flughafens von Longyearbyen wurde im Februar 2008 die größte Samenbank der Welt eröffnet, die Platz für 4,5 Millionen Samenproben von Nutz- und Kulturpflanzen bietet. Der norwegische Landwirtschaftsminister Terje Riis-Johansen bezeichnete das Projekt bei der Eröffnung als „eine moderne Arche Noah“, das in erster Linie jedoch der Bewahrung der Artenvielfalt für zukünftige Generationen dienen soll.

 

 

Es läuft sich gut.

Die Luft ist klar und die polare Wüste unendlich - ich kann es kaum fassen, ich wandere über Spitzbergen!

 

(Am linken Bildrand die aufgegebene Grubenseilbahn der Mine 5)

 

 

 

Auf unserem wolkenweichen Weg durch das Endalen erzählt Henrik von Longyearbyen.

 

Natürlich hat Longyearbyen ein Krankenhaus, in dem so ziemlich alles behandelt werden kann. Aber trotzdem gehen werdende Mütter 14 Tage vor dem errechneten Geburtstermin aufs Festland. Für Notfälle bei der Geburt ist das Krankenhaus nicht gut ausgestattet.

 

Auch Sterben tut man auf Longyearbyen nicht unbedingt. Zumindest gab es in den letzten Jahrzehnten kaum natürliche Sterbefälle. Die meisten Einwohner von Longyearbyen kommen hierher zum Arbeiten, Studieren, Forschen - und gehen nach ein paar Jahren wieder zurück aufs Festland bzw. in ihre Heimat.

Früher gab es auch keine "Einfamilienhäuser". Heute gibt es eine Siedlung mit solchen Eigenheimen - sogar mit Balkon, obwohl man diesen nur ein paar Wochen im Jahr nutzen kann. Sollte man sich für einen Arbeitsplatz in Longyearbyen interessieren, so ist eines gewiss: man bekommt vom Arbeitgeber eine Wohnung oder ein Haus vermittelt. Da entfällt also schon mal die aufwendige Suche nach einer Unterkunft.

 

Du solltest dann natürlich - neben deiner fachlichen Qualifikation -  noch schießen können - ja und Snow-Scooter fahren solltest du auch können. Denn dieses Mobil ist hier das bevorzugte Verkehrsmittel (was will man auch mit einem Auto, wo doch das Straßennetz gerade mal 40 Kilometer umfasst - und im Winter recht nutzlos ist...). Du kannst in Longyearbyen beides erlernen.

 

So gibt es auch diese beiden Verkehrzeichen, die du kennen und beachten solltest:

 

 

 

 

"Gilt für ganz Svalbard"

 

 

 

 

 

Achtung Schneescooter

 

 

Auf unserem Rückweg aus dem Endalen kommen wir an einer Huskiefarm vorbei. Hier leben die Huskies in Ställen (und schauen mich so lieeeeb an ...). Doch was für unsere Augen irgendwie traurig ausschaut, ist ganz normal. Huskies sind hier Arbeitstiere. Und wenn sie erst mal loslegen, dann sind sie kaum zu bremsen. Das gilt übrigens auch fürs Bellen. Deshalb mussten die Farmen außerhalb des Ortes angelegt werden: fangen sie erst mal an zu Bellen (oder besser Heulen), dann hören sie nicht so schnell auf. Das ging in Ortsnähe einfach nicht mehr.


 

Gewinner der Huskiefarmen sind die Eiderenten, die direkt daneben brüten. Denn das Heulen der Hunde lässt natürlich keinen Polarfuchs in die Nähe. Die Enten können sich in aller Ruhe um ihren Nachwuchs kümmern.

 

Eiderenten waren lange in ihrem Bestand gefährdet

Zurück in Longyearbyen schaue ich mir nun das Städtchen näher an. Hier gibt es das nördlichste Krankenhaus, die nördlichste Schule, die nördlichste Universität, die nördlichste Bank, das nördlichste Restaurant  ... ja und so weiter und so weiter ...

 

Es gibt nur noch circa 100 Menschen, die nördlicher wohnen als die Longyearbyener, die meisten davon in Ny-Ålesund. Dort leben etwa 30 Menschen im Winter und 120 im Sommer. Ny-Ålesund ist die nördlichste dauerhafte zivile Forschungsstation der Welt und wird derzeit für eine moderne internationale Arktisforschung ausgebaut. Zwischen Longyearbyen und Ny-Ålesund liegen etwa 100 Kilometer, die per Schneescooter überbrückt werden können. Die Versorgung von Ny-Ålesund erfolgt aber meist über den Luftweg oder, wenn das Meer nicht zugefroren ist, per Schiff.

 

Die Straßen in Longyearbyen sind erstaunlich gut in Schuss (na ja, es sind ja auch nur 40 Kilometer) und auf diesen fahren zurzeit auch Autos. Aber doch sehe ich überall die Schneescooter stehen, die auf ihren baldigen Einsatz warten.


 Hauptstraße von Longyearbyen - Blick ins Longyeardalen und zum Longyearbreen (der Gletscher)  und links zum Sarkofagen
Hauptstraße von Longyearbyen - Blick ins Longyeardalen und zum Longyearbreen (der Gletscher) und links zum Sarkofagen
Die Kirche von Longyearbyen - die nördlichste der Welt.
Die Kirche von Longyearbyen - die nördlichste der Welt.
Beeindruckend: es gibt sogar eine Fußgängerzone mit "Shopping-Möglichkeiten"  - ein Souvenirladen, eine Touristinformation, die Post, die Bank, der Supermarkt, ein Outdoorladen, Hotels .....
Beeindruckend: es gibt sogar eine Fußgängerzone mit "Shopping-Möglichkeiten" - ein Souvenirladen, eine Touristinformation, die Post, die Bank, der Supermarkt, ein Outdoorladen, Hotels .....
Großzügige Straße - Platz ist ja genügend vorhanden
Großzügige Straße - Platz ist ja genügend vorhanden


Und es gibt Leben auf den Straßen (ganz anders als in Honningsvåg). Ja irgendwie alles vollkommen normal - dieses Städtchen könnte genau so gut auch irgendwo weiter südlich auf dem Festland anzutreffen sein - bis halt auf das Waffenverbots-Schild an Bank und Post und die besagten Verkehrsschilder.

 

Ach ja, und die Eisbären natürlich, die gibt es sonst auch nicht so oft.

Da begegnet mir doch tatsächlich einer in der Fußgängerzone (zu Fuß, versteht sich).

Ein nettes Kerlchen:

 

 

Ich schlendere an den bunten Häusern der 30er Zone vorbei (hier also könnte ich wohnen, wenn ich die arktische Fauna und Flora erforschen würde und für ein oder zwei Jahre für ein "relativ sicheres" Abenteuer nach Longyearbyen ging ..., aber ob sie hier auch Taijiquan-Lehrerinnen brauchen ...?)

 

 

Da begegne ich sogar noch dem Briefkasten des Weihnachtsmanns - hier also soll er wohnen?

 

Da sind sich die Norweger übrigens selbst nicht ganz einig, es könnte auch in Drøbak, Røros, oder Egersund sein. Und die Dänen und Schweden melden auch ein Anrecht auf den Wohnort des Weihnachtsmanns. Naja, jedenfalls irgendwo ganz weit im Norden.

Die nördlichste Feuerwehr der Welt (vielleicht noch eine kleine Station auf Ny-Ålesund)
Die nördlichste Feuerwehr der Welt (vielleicht noch eine kleine Station auf Ny-Ålesund)
Und das nördlichste Krankenhaus
Und das nördlichste Krankenhaus

 

Im Bild oben das neue Verwaltungszentrum der Stadt. In Svalbard gibt es ein besonderes Verwaltungssystem, bei dem der sogenannte "Sysselmannen" als direkter Vertreter der norwegischen Regierung fungiert (so ähnlich wie ein Gouverneur). Der Sysselmann von Svalbard hat eine eigene Webseite und ist sogar bei Facebook vertreten!

www.sysselmannen

Adieu, Longyearbyen, du faszinierst mich:

 

Hier die Normalität einer Schule, eines Supermarktes oder einer Bank.

Doch auch hoch entwickelte Technologien, wie zum Beispiel der über 40 Meter große Parabolspiegel zur Erforschung der Atmosphäre.

 

Dort die Unendlichkeit der Polarwüsten mit Steinen und Geröll bis der Blick irgendwo in der Ferne am kalten Blau der Gletscher hängen bleibt.

Und dann direkt vor meinen Füßen die zarte Feinheit der Pflanzen, die sich mühsam, aber doch kraftvoll durch die Steine zum Licht kämpfen und mit  bunten Blüten der Kargheit trotzen.

 

Ich werde Spitzbergen nicht vergessen - und wer weiß, vielleicht komme ich zurück. Nicht unbedingt zum Forschen, aber für ein paar Tage Urlaub kann ich es mir durchaus gut vorstellen....

 

 

 

 

 

Tschüss - Longyearbyen!

Bis dann...

Auf nach Pyramiden

 

Unser Kapitän hat heute noch eine Überraschung für uns. Wir verlassen den Adventfjord mit einem letzten Blick hinüber nach Longyearbyen. Im Isfjod nehmen wir allerdings nicht Kurs aufs offene Meer, sondern fahren tiefer in den Isfjord und dann in den Billefjord hinein. Wir wollen Nordenskjøld-Gletscher - am Ende des Billefjord ansteuern - allerdings nicht nur zum Anschauen, sondern um einen Eisbrocken einzuladen: heute Abend soll es auf dem Pooldeck Drinks mit Gletschereis geben (schon ein bisschen verrückt unser schwedischer Kapitän ...).

 

Ich freu' mich auf die ruhige Fahrt vorbei an Gletschern, schnee- und eisbedeckten Bergen, vereinzelten Hütten am Ufer des Fjordes und vor allem auf Pyramiden, die verlassene russische Geisterstadt am Ende des Fjordes in der Nähe des Nordenskjøld-Gletscher. Der Ort verdankt seinen Namen der pyramidenartigen Form des gleichnamigen Berges, an dessen Fuß er liegt und aus dem die Steinkohle geborgen wurde.

 

Pyramiden wurde nach dem Zweiten Weltkrieg, als die russische Siedlung Barentsburg in der Nähe von Longyearbyen zerstört war,  zur größten Kohleabbausiedlung der russischen Regierung in der Arktis mit etwa 1000 Bewohnern. Auch der Tourismus wurde gefördert und ein großes Hotel betrieben. Nun könnte man annehmen, dass es einer "Strafversetzung" gleichkam, wenn man als Bergarbeiter in die weit entfernte Arktis versetzt wurde. Aber es war ganz anders: hier kamen nur die besten Arbeiter mit ihren Familien hin, es war eher eine Belohnung hier arbeiten zu dürfen. Pyramiden entwickelte sich zu einem Städtchen mit regem - auch gesellschaftlichem - Leben. Hier gab es einen Sporthalle mit einem Schwimmbad, ein großes Kulturhaus mit einer Bar, einen Kindergarten und eine Schule, ein Kino, eine Bibliothek (in der noch im Jahr 2010 über 60.000 Bücher gefunden wurden), Musikräume und einen Ballettsaal.

 

In der Stadtmitte wurde sogar eine Wiese angepflanzt, auf der Kinder spielen und das Vieh grasen durfte. Eigentlich gibt es keine Wiesen in der Arktis. Doch die Russen importierten einen widerstandsfähigen Rasensamen aus Sibirien, und tatsächlich wächst noch heute in der gesamten Stadt hoher Rasen. In Gewächshäusern wurde Gemüse gezogen.

 

Auf dem Hauptplatz von Pyramiden blickt Lenin von seiner nördlichsten Statue auf den Nordenskjøld-Gletscher und kann so den langsamen Verfall dieser russischen Vorzeigesiedlung beobachten, denn die Natur nimmt sich nach und nach zurück, was ihr genommen wurde.

 

1998 beschloss die russische Regierung den Kohleabbau in Pyramiden zu beenden. Er war nicht mehr rentabel. Hinzu kamen einige schwere Unfälle und 1996 ein Flugzeugabsturz in Barentsburg, bei dem 141 Menschen ums Leben kamen.

2000 hatten die letzten Arbeiter und ihre Familien die Siedlung endgültig verlassen. Pyramiden entwickelte sich zur nördlichsten Geiserstadt der Welt.

 

Nach der Aufgabe von Pyramiden kam es zuerst zu Plünderung in der Stadt, denn alles war einfach geblieben, als würden die Bewohner nach einem Ausflug wenige Tage später wieder zurückkommen.

Heute kann man Pyramiden im Sommer besuchen, doch die meisten Gebäude nur unter Aufsicht betreten. Außerdem gehen hier viele Trekkingtouren los, da es einige Basislager in der Nähe gibt.

In einem kleinen Containerhotel am Hafen können 20 Gäste übernachten.

Und auch das große Pyramidenhotel wurde teilweise renoviert und wieder eröffnet. Auf dem Campingplatz musst du für eigenen Eisbärenschutz sorgen!

 

(Es gibt sicher Unterkünfte auf der Welt, die einladender sind als diese in Pyramiden. Aber wenige, die die Fantasie und Abenteuerlust mehr beflügeln. Noch habe ich keinen Urlaub für 2016 gebucht ...

und falls du Lust bekommen hast: hier kannst du dein Glück versuchen: Terra polaris, www.terrapolaris.com und mal anfragen, denn in Pyramiden direkt buchen wird schwierig: hier gibt es weder Telefon noch Internet - dafür hast du dort auch Ruhe vor deinem Arbeitgeber oder der Familie:))

Pyramiden
Pyramiden
Unten rechts in blau das Containerhotel - zentrale Lage direkt am Hafen mit Meeresblick :)   Im Hintergrund die verlassenen Bergwerksanlagen
Unten rechts in blau das Containerhotel - zentrale Lage direkt am Hafen mit Meeresblick :) Im Hintergrund die verlassenen Bergwerksanlagen
Die Lage von Pyramiden wunderschön in einer geschützten Bucht des Billefjordes, eingerahmt in eine Gebirgslandschaft, die hier fast lieblich erscheint
Die Lage von Pyramiden wunderschön in einer geschützten Bucht des Billefjordes, eingerahmt in eine Gebirgslandschaft, die hier fast lieblich erscheint
Dieser Berg gibt Pyramiden seinen Namen
Dieser Berg gibt Pyramiden seinen Namen

Nun kommen wir mal zurück in die Gegenwart:


 

Unterwegs begegnen wir dem Schiff des Sysselmanns


Am Ende des Fjordes erreichen wir den Nordenskjøld-Gletscher. Vor dem Gletscher schwimmen Eisschollen im Wasser - eine davon will nun unsere Crew einsammeln - na denn viel Glück.

In der Nähe treibt eine Scholle, die vom Schiff aus klein aussieht - unser Kapitän macht uns aber darauf aufmerksam, dass diese ca. 10 Tonnen wiegen würde (also für unsere Belange zu schwer).

 

Die Crew wird fündig und zieht die Eisscholle hinter dem Tenderboot her um sie dann ins Schiff und auf Deck 11 zu hieven. Immerhin auch noch 1 Tonne schwer.

 

Der Gletscher zeigt sich im Sonnenschein in seinen verschiedensten Farben - vom weiß über blau und grün zu grau. Ein herrliches gigantisches Farbenspiel: der Gletscher ist 25 Kilometer lang und 11 Kilometer breit.

 

 

Wir genießen eine wunderbare idyllische Fahrt durch den Billefjord und Isfjord zurück ins offene Meer. An uns ziehen unzählige braune, rötliche und weiße, schneebedeckte Berge und imposante Gletscherströme vorbei. Und die Sonne tut ihr bestes, dieses ohnehin schon einzigartige Szenarium in eine mystische Traumlandschaft zu verwandeln. Ich male mir aus, wie in dieser Stimmung  die  nordischen Sagen und Märchen entstehen ...


Der Blick geht hier in den  Nordre-Isfjorden-Nationalpark mit den Ausmaßen: 2.050 km² Festland und 904 km² Meeresfläche!
Der Blick geht hier in den Nordre-Isfjorden-Nationalpark mit den Ausmaßen: 2.050 km² Festland und 904 km² Meeresfläche!
Unberührte Natur aus Fels, Schnee und Eis, ist das majestätisch!
Unberührte Natur aus Fels, Schnee und Eis, ist das majestätisch!

Auf Backbordseite kommen wir auch wieder an der Bucht von Longyearbyen vorbei. Als hätte die Sonne einen Spot angeschaltet, beleuchtet sie gerade nur das Städtchen und es scheint, als wolle sich Longyearbyen nochmals im richtigen Licht zeigen und eine Einladung mit auf unseren Weg in die Grönlandsee mitgeben: "Seht her wie schön ich bin, kommt bald wieder!"

(Erscheint mir recht wahrscheinlich ...)

 

Wir passieren die letzten Berge rechts und links von uns und verlieren uns in der eisigen Weite der Grönlandsee (unser Kapitän wird wissen, welchen Kurs er aufnehmen muss).

 

Die letzten Bilder mache ich um kurz vor Mitternacht.

Das Schiff wiegt mich sanft in den Schlaf - wäre gar nicht nötig. Nach so viel arktischer Luft und Bewegung und nach "Ganz-viel-Gucken-Müssen" liegt man nicht wach im Bett, sondern schläft ratzfatz ein.