4.7.2015  Geiranger

Gegen 8:00 Uhr sollen wir in Geiranger sein - und so frühstücken wir heute schon um 6:00 Uhr (Urlaub?)

 

Das frühe Aufstehen lohnt sich aber, denn bei romantischem nebligen Trollwetter (so später unser Reiseführer) fahren wir in den Stor- und  Sunnylvsfjord ein, von dem gegen Ende auf Backbordseite nochmals der berühmte Geirangerfjord abzweigt. Sehr beeindruckend - unser erster Höhepunkt dieser Reise (es sollten noch so viele kommen ...) - 15 Kilometer ist er lang und seit 2005 UNESCO Weltnaturerbe.

Geiranger hat einen Tenderhaften, und so müssen wir heute alle tendern, das heißt vom Schiff aus in kleinere Tenderboote einsteigen (die Rettungsboote) und dann mit diesen Booten in wenigen Minuten zum Hafen fahren.


 

Es klappt auf Anhieb. Ich bin begeistert von der guten Organisation (aber das muss wohl so sein). Manfred tendert übrigens mit einem anderen Boot, denn während ich zu einer Ziegenalm möchte, fährt Manfred gemütlich auf den Berg Dalsnibba.

 

Die Dalsnibba ist ein 1476 Meter hoher Berggipfel südlich von Geiranger. Aufgrund seiner Höhe ist er auch im Sommer meist schneebedeckt. Manfred fährt zuerst auf den Gipfel und hat dort Kontakt mit Schnee im Juli. Auf dem 1038 Meter hohen Dalsnibba-Pass steht die Berghütte Djupvasshytta. Gleich daneben schimmert blaugrün der noch eisbedeckte See Djupvatnet. In der Hütte gibt es einen Kaffee zum Aufwärmen und dänisches Gebäck bevor es wieder ins Tal geht.

 

Ich freue mich auf den Besuch von Herdalssetra - einer Ziegenalm, die wunderschön von hohen Bergen umrahmt sein soll.

 

Über Serpentinen geht es mit dem Bus zur Adlerkehre, die wir aber links liegen lassen, denn es ist nebelig im Fjord und so lohnt sich das Anhalten nicht - wir würden den fantastischen Blick zum Fjord sowieso nur ahnen.

Oben auf der Höhe, einem kleinen Pass, machen wir dann aber doch eine kurze Pause. Der Nebel lichtet sich langsam. Zum Fjord runter können wir noch nicht sehen, aber die frische kalte Luft genüsslich einatmen.


 

 

 

Weiter geht es über das Eidsdal, einem herrlichen Hochtal zum Eidsvatnet (ein kleiner See), an dem wir eine kleine Pause für einen Rundgang am Seeufer  einlegen.

 

 

 

Das Hochtal sieht nun im Juli zwar sehr lieblich aus in seinem tiefgrünen Kleid, unser Reiseleiter Eric (Bauer, Ökonom und Troll zugleich) erzählt aber, dass es im Winter bis ins späte Frühjahr sehr gefährlich sei diese wichtige Verbindungsstraße zu benutzen wegen der abgehenden Lawinen. Hier würden immer alle ganz schnell fahren - auch die Polizei - Hauptsache man ist zügig durch!

 

Unser Busfahrer hat immerhin ein bisschen Nachsehen mit uns, fährt relativ gemütlich und ich gucke mir freudig die an mit vorbeiziehende Gebirgslandschaft an.

 

 

Zu links und rechts an den Hängen sieht man hier und da vereinzelte Bauernhöfe. Die Bauern haben sich eine lange versprochene Straße endlich so erkämpft, dass sie dem Bürgermeister sagten, wir zahlen keine Steuern mehr bis sie die Straße hätten. Der Bürgermeister sagte daraufhin, dass dies aber doch strafbar sei. Die Bauern erwiderten, dass er dann längste Zeit ihr Bürgermeister gewesen sei - und so hatten die Bauern ihre kleine asphaltierte Straße schon ein Jahr später.   (Trolle halt, diese Bauern hier :))

 

Wir kommen hinunter zum Norddalsfjord. Dieser Fjord geht ebenfalls vom Storfjord ab und liegt fast parallel zum Geirangerfjord, ist jedoch breiter und wirkt dadurch viel offener, eher wie ein großer See.


Wir fahren durch den namens gebenden, kleinen Ort Norddal.

Wie bin ich überrascht, hier Häuser zu sehen im Stile des Mannweiler's Haus bei uns in Lorsbach aus den 50 er Jahren.

Eric erzählt uns, dass es vor Jahrzehnten im Tal ein schlimmes Lawinenunglück gab und viele Häuser des Dorfes dabei zerstört wurden. Es gab damals einen deutschen Bauingenieur hier, der half die zerstörten Häuser in dem ihm bekannten Baustil wieder aufzubauen. Die Häuser heißen heute noch nach seinem Begründer die "Schmidt-Häuser".

 

 

 

Ein bisschen Heimat im fernen Norwegen - damit hätte ich nicht gerechnet :)

Am Ende des Ortes beginnt eine kleine Wald- und Wiesen-Straße mit 22 % Steigung wie uns Eric stolz erklärt - aber unser Busfahrer - der Beste aus Geiranger überhaupt - würde das prima schaffen (so wie auch die vielen Serpentinen vorher). Eric springt aus dem Bus und macht eine Schranke auf (das macht er nun noch ein paar mal).

 

Und los geht die Fahrt in ein wildromantisches Tälchen, dem Herdalen, das links und rechts von steilen Felswänden begrenzt wird. Der reißenden Bachlauf im Herdalen wird von unzähligen Wasserfällen gespeist.


 

Am Ende das Tälchens, durch das es stetig bergauf geht, öffnet sich das Tal zuerst nur ein wenig, um dem Herdalsee mit seinem grünen Wasser Platz zu machen. Doch dann wird es immer lichter und weiter - die Felswände machen saftigen Wiesen und Weiden viel Platz.

 

Ein grandioser Anblick eröffnet sich mir: rundum die schneebedeckten Berge, die der Nebel langsam frei gibt, am Ende des Tals die Ziegenfarm mit ihren kleinen Holzhäusern, die alle ein begrüntes Dach haben und sich so ganz natürlich in diese grüne Landschaft einfügen. Wäre ich eine Ziege, so wollte ich den Sommer auch hier verbringen...

Die Sonne begrüßt uns auch noch: also alles perfekt an diesem "Trollwettertag".


Einige Schafe versperren unserem Bus den Weg - eine legt sich sogar ganz entspannt mitten auf die Straße und schließt ihre Augen. Eric steigt wiederum aus, um die Schafe von der Straße zu vertreiben. Doch zuerst einmal freuen sie sich über seinen Besuch, und nun kommen sie alle herbei, um ihn zu begrüßen und den Weg komplett zu blockieren. Na ja, wir haben unsere Freude an dem Treiben draußen, denn wir haben es ja nicht eilig.


Die Ziegen allerdings hatten es sich rundum auf den Weiden fernab der Alm an den Hängen gemütlich gemacht, denn sie können sich hier frei bewegen - nur zum Melken müssen sie zurück zur Alm - morgens und am Spätnachmittag. Da kommen sie dann von alleine zurück. Das alles und wie der Käse produziert wird erklärt uns eine Studentin aus Mainz, die hier über den Sommer ihre Semesterferien verbringt und hilft.  Neben dem Käse stellt die Farm auch noch Karamellbonbons (geitmjølkskaramellar) her - aus Ziegenmilch wohlgemerkt (wieder etwas dazugelernt)

 


 

Herdalssetra

Die idyllische Herdalssetra blickt auf eine 300-jährige ununterbrochene Almtradition zurück und stellt mit 300 Milchziegen eine der größten Gemeinschaftsalmen des Landes dar. Die Alm setzt sich aus einem einzigartigen Ensemble von über 30 alten Gebäuden zusammen. Darüber hinaus stößt man auf zahlreiche Siedlungsreste alter Höfe und Almen. Bis ins 18. Jahrhundert hinein war die Alm dauerhaft besiedelt. Die Geschichte des Hofes reicht bis in die Wikingerzeit zurück.

Heute werden die alten Traditionen der Herstellung von dunklem und hellem Ziegenkäse sowie der echten Ziegenmilch-Sahnebonbons (Karamellbonbons) gepflegt



Dachbegrünung
Dachbegrünung

Wir probieren natürlich auch den Käse und ich nehme einen Braunkäse (Brunost) aus - klar - Ziegenmilch mit. Es ist der berühmte Ekte Geitost, dieser ist nämlich nur aus Ziegenmilch (es gibt auch Varianten mit Kuhmilch- und Ziegenmilchanteilen). Er hält sich lange, da hierbei die Molke eingekocht wird (stundenlang!) und nicht der Rahm. Dabei karamellisiert der Milchzucker und heraus kommt ein leicht süßlich-karamellartige Geschmack und die braune Farbe. Angeblich schmeckt er auch mit Marmelade. Ich nehme ihn vor allem deshalb mit, weil er ewig halten soll, ohne dass man ihn kühlen muss, zumindest solange er noch nicht angebrochen ist.

Da haben wir zu Hause noch ein bisschen Ziegengenuss aus Norwegen :)

Und natürlich das Spanholzschächtelchen von der Ziegenalm, in dem der Käse aufbewahrt ist! Das Motiv hat vor vielen Jahren einmal ein Bauer hier entworfen. Nun gibt es einen Stempel und - so erklärt uns die Studentin - sollte es den Helfern hier oben langweilig werden, dann müssen Schächtelchen gestempelt werden.

 

Nach meinem Käseeinkauf genieße ich die herrliche Gegend, die Sonne und den Geruch der Weiden und Blumen und schlendere über die Alm.


 

 

Hier wird die Molke gekocht und

gerührt ... gerührt ... gerührt ...

 

Doch der Mittag geht zu Ende, und wir fahren wieder durch das romantische Tälchen zurück mit interessanten Geschichten, die Eric über die Gegend und die Menschen erzählt.

 

 

 

Am Eidsvatnet ist inzwischen auch die Sonne heraus gekommen und die Berghänge spiegeln sich tiefgrün im kalten Gebirgssee. Wirklich traumhaft. Ich denke, das macht die klare Luft hier oben.

Im Geiranger hängen noch ein paar Fetzen Nebel. Trotzdem haben wir einen herrlichen Blick in den Fjord und auf unser Schiff, das in diesem Licht fast ein bisschen gespenstig aussieht.

Nach all den Troll-Geschichten, wer weiß, gibt es sicher auch irgendwo einige Gespenster ...

 

Unten angekommen habe ich noch viel Zeit - das letzte Tenderboot zum Schiff geht um 15:00 Uhr (dann sollte man auch da sein!).


Geiranger
Geiranger

 

 

Ich entdecke beim Rundgang durchs Dorf den Wasserfallweg, den ich "besteige", denn dieser Weg besteht vor allem aus Stufen. Ich teste dabei meine wasserfeste Jacke (die ich bisher nur herumgetragen habe), denn das Wasser des Wasserfalls Storfossen bleibt natürlich nicht in seinem Bett, sondern sprüht überall herum.

 

 

 

 

Dafür wird man aber von einem tollen Ausblick auf den Fjord belohnt (der Nebel ist gänzlich verschwunden) und mit einem leuchtenden Regenbogen.


Ich gehe anschließend zum Hafen und nehme das nächste Tenderboot zum Schiff - und siehe da, auch Manfred sitzt drin - zurückgekommen von seinem Ausflug in die Welt des ewigen Schnees.


Noch ist dieser herrliche Tag nicht zu Ende: die Ausfahrt aus dem Geiranger-, Sunnylvs - und Storfjord wird zu einem Erlebnis der besonderen Art, insbesondere, weil die Sonne am strahlendblauen Himmel diese fantastische Gegend wunderschön ausleuchtet.

 

Immer schön standhaft bleiben
Immer schön standhaft bleiben
Gleich mehrere Regenbogen
Gleich mehrere Regenbogen
Blick zurück - ist das herrlich!
Blick zurück - ist das herrlich!
Dieser imposante Wasserfall heißt "Die sieben Schwestern" - es sind bei genauem Hinsehen sieben einzelne Wasserfälle. Die größte Fallhöhe des Wassers beträgt 300 Meter.
Dieser imposante Wasserfall heißt "Die sieben Schwestern" - es sind bei genauem Hinsehen sieben einzelne Wasserfälle. Die größte Fallhöhe des Wassers beträgt 300 Meter.

Am Morgen waren die heute verlassenen Fjordhöfe noch im Nebel, doch nun sehen wir auch diese an den steilen Hängen des Geirangerfjords. Manche dieser Höfe waren früher nur über Leitern erreichbar. Durch das milde Klima an den Hängen des Fjordes lohnte sich früher auch hier die Landwirtschaft. Außerdem konnte man prima, wenn der Steuereintreiber unterwegs war, einfach die Leitern einziehen :)

Heute sind einige der Höfe wieder restauriert und sie zählen zu den  kulturhistorischen Stätten der Fjordlandschaft.

Erst abends gegen 22:00 Uhr erreichen wir das offene Meer. Ich möchte mich gar nicht vom "Schauen" verabschieden, aber nun wird es auf dem Deck doch langsam kalt. (Und morgen ist ja wieder ein Tag zum "In-die-Ferne-Schauen"...)

Als wir uns zur Nachtruhe in unsere Kabine begeben, sehen wir, dass die "Spucktüten" im Treppenhaus und im Aufzug aufgehängt wurden .... was hat das zu bedeuten???